Encyclopaedia of Tuning

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(Möllendorff - Musik mit Vierteltönen)  (Moellendorff - Music With Quarter Tones) 


English translation ©2001 by Klaus Schmirler
webpage and MIDI-files ©2001 by Joe Monzo

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PRAXIS  PRACTICE 
Nachdem wir so einigermaßen unser Gewissen darüber beruhigt haben, daß wir mit der Einfügung von Vierteltönen in unser altes System jedenfalls keinen unerhörten Frevel begehen, tritt die Frage an uns heran: wie setzen wir diese Theorie in die Praxis um? oder, mit anderen Worten: auf welchem Instrument versuchen wir nun zunächst einmal Vierteltöne zu hören zu bekommen?  After having to some extent quieted our conscience that we are not about to commit an outrageous sacrilege by inserting quarter tones into our old system, we have to face the question, how do we put this theory into practice? or, in other words: which instrument do we start with if we want to get to hear some quarter tones? 
Im Prinzip leicht möglich ist dies auf vielen Instrumenten, z.B. auf der Geige und Bratsche in den tieferen Lagen, auf dem Violoncello in fast allen Lagen, ebenso auf dem Kontrabaß. Von den Blasinstrumenten käme hier vor allem die Posaune in Betracht. Aber, ach! wir wollen ja durch das Bichroma in erster Linie die musikalische *Harmonie* bereichern! Da nützen uns alle diese Tonwerkzeuge vorderhand gar nichts, denn sie sind ja ihrer Natur nach auf einstimmiges Musizieren angewiesen. Wir müssen uns vielmehr nach einem Instrument umsehen, auf dem man leicht Harmonien greifen kann. Pflichtgemäß denken wir da natürlich sofort an unser "Mädchen für alles", an das Klavier. Und tatsächlich: als ich vor Jahren endlich zur Verwirklichung meiner Viertelton-Ideen schritt, setzte ich denn auch alle Hebel in Bewegung, um in den Besitz eines bichromatischen Klaviers zu gelangen. Und tatsächlich gelangte ich nach vielen heißen und vielen vergeblichen Bemühungen auch endlich in den Besiz eines solchen. Aber, wiederum ach! dies Klavier entpuppte sich schon vom Beginn seiner irdischen Laufbahn an als die "Tücke des Objekts an sich"!  In principle this is easily possible on many instruments, e.g. in the lower positions of the violin and viola, in almost all positions on the violoncello, likewise on the double bass. Among the wind instruments the trombone would have to be considered first of all. But alas! didn't we want the bichroma to enrich musical harmony primarily? Here all these musical tools do not avail us anything for the time being, because they are by their very nature reduced to the playing of single parts. Rather, we have to look for an instrument that makes it easy to finger harmonies. Our sense of obligation, of course, makes us think of our "maid of all work" immediately, the piano. And really: when years ago I proceeded to finally implement my quarter tone ideas, I did raise the Devil to come into possession of a bichromatic piano. And I actually succeeded, after many arduous and many futile efforts, to obtain such a thing. But, alas again! this piano, from the beginning of its earthly existence, turned out to be the "malice of the object" incarnate! 
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Noch ehrlicher gesagt: es war schon *vor* dem Tage seiner Geburt museumsreif! Der mutige, geschickte und bei allen Einzelheiten so erfinderische Erbauer desselben, Herr Paul Strobel in Frankenhausen am Kyffhäuser, hatte mir allerdings gleich von vornherein vom Bau eines Klaviers abgeraten und dafür lieber die Herstellung eines Harmoniums empfohlen; erstens: weil es hierbei viel weniger bautechnische Schwierigkeiten zu überwinden gäbe, und zweitens: weil gerade *das* Klavier, welches er mir zu einem Vierteltoninstrument *um*bauen sollte, schon in seinem Urzustand ein bejammernswerter Kasten wäre. Paul Strobel trifft also ganz und gar keine Schuld für die Ungeratenheit dieses Erstlings, sondern allein meine Starrköpfigkeit, die eben mit Gewalt immer nur ein *Klavier* mit Vierteltönen und absolut nichts anderes haben wollte.  To be more honest: it was already fit for the museum before the day of its birth! The courageous and skillful designer of the same, Mr. Paul Strobel in Frankenhausen at Kyffhäuser, so inventive in all details, has indeed discouraged my idea of building a piano from the very beginning and recommended making a harmonium instead; first of all, because there would then be much fewer constructional difficulties to overcome, and secondly: because *this* very piano I wanted him to change into a quarter-tone instrument was already a lamentable box in its original state. So Paul Strobel is in no way to blame for uncouthness of this firstborn, it was alone my stubbornness which wanted a *piano* with quarter-tones by all means and absolutely nothing else. 
Aber gleichviel! Als dies erste Vierteltonklavier nach jahrelangem Entwerfen und Verwerfen, Zeichnen und Verzeichnen eines Tages leibhaftig vor mir stand, war ich doch selig, denn zu dem einen schien es gewiß zu taugen: vor allem mir selbst einmal die Möglichkeit eines Musizierens mit Vierteltönen zu beweisen. Davon war ich nämlich trotz allem Theoretisieren noch lange, lange nicht überzeugt; erstens: weil ich allen Theorien, allen *nur*-theoretischen Beweisen sehr skeptisch gegenüberstehe, somit auch meinen eigenen, und zweitens: weil ich es mit den Nürnbergern halte und keinen hänge, den ich nicht habe! (Was übrigens beides so ziemlich auf dasselbe hinausläuft.) Nach dieser einen Richtung hat das Klavier denn auch tatsächlich alle meine Erwartungen erfüllt. Schon nach kurzer Zeit des Studiums an dem neuen Instrument zweifelte ich auch nicht im geringsten mehr an der Realisierbarkeit meines Traumes von einer Musik mit Vierteltönen.  Whatever! When one day this first quarter tone piano, after many years of sketching and resketching, drawing and misdrawing, was standing bodily before me, I was in bliss just the same, as it certainly seemed to be good enough for one thing: to prove, to myself most of all, the possibility of making music with quarter tones. For I was, in spite of all my theorizing, still very very far from being convinced; first of all, because I approach all theories, all *exclusively* theoretical proofs, with scepticism, necessarily including my own, and secondly, because I stick with the Nurembergers and hang none whom I don't have! (Which by the way amounts to the same.) In this respect the piano actually met all my expectations. After a short time of studying the new instrument I also didn't have the least doubts as the feasibility of my dream of a music with quarter tones. 
Aber auch noch nach anderer Richtung war ich durch das Klavier nun praktisch einen großen Schritt vorwärts gekommen: ich war jetzt der Erfinder und glückliche Besitzer einer Tastatur, die man ohne weiteres auch für jedes  But the piano has also advanced me in another respect by what amounts to a big step: I was now the inventor and lucky owner of a keyboard which could easily also be used for every 
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andere Tasteninstrument mit Vierteltönen, also auch für Orgel und Harmonium verwenden konnte. Als ich nun endlich bescheidener wurde und doch an den Bau eines Harmoniums zu denken begann, da war jedenfalls das Hauptproblem, die Klaviatur, bereits gelöst. Was es nun noch zu lösen gab, das konnte ich getrost dem Erbauer des Harmoniums, Herrn Otto Pappe, in Firma Straube-Berlin, überlassen, und ich muß sagen, er hat in Gemeinschaft mit dem Klaviatur-fabrikanten Herrn Adolf Walter alles zu meiner vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Auf diese Tastatur hatte ich inzwischen auch das Deutsche Reichspatent erhalten, so daß ich nach weiterem gründlichen Studium an dem neuen, zwar einfachen, aber praktisch sehr gut brauchbaren Instrument endlich daran denken konnte, mit meinen Ergebnissen vor die Öffentlichkeit zu treten.  other keyboard instrument with quarter-tones, including the organ and harmonium. So when I finally became less ambitious and did consider building a harmonium, the main problem, the keyboard, was already solved. What still remained to be solved could now confidently be left to the designer of the harmonium, Mr. Otto Pappe, of the Straube company in Berlin, and I must admit that he, cooperating with the keyboard manufacturer Mr. Adolf Walter, executed everything to my fullest satisfaction. In the meantime I had also been granted the patent of the German Reich, so that I could finally think about presenting my results to the public, after studying this new, simple, but practically very useful instrument some more. 
Wie mein Viertelton-Harmonium in seinem Innern beschaffen ist, das möchte ich hier jedoch nicht gern verraten. Es dürften übrigens auch niemand gerade die Eingeweide dieses Zweitgeborenen sonderlich interessieren. Nur soviel will ich über das Instrument noch sagen, daß es sich dabei um ein einregistriges Druckwindharmonium mit Expression handelt, welches außerdem aber noch eine Vorrichtung aufweist, vermittelst deren die Tasten für die Vierteltöne abgestellt werden können. Dies Abstellregister hat also den Zweck, die neuen Tasten stumm zu machen, für den Fall nämlich, daß man auf dem Harmonium auch Musik o h n e Vierteltöne spielen will.  As to the constitution of the innards of my quarter tone harmonium, I am little inclined to disclose them here. Besides, it is unlikely that the entrails of this second-born be particularly interesting to anybody. But this much I'd like to say about the instrument: it is a single stop compression harmonium with expression which features an additional device, by means of which the keys for the quarter tones can be switched off. So the switching stop has the purpose of muting the new keys in case one might want to play music without quarter-tones on the harmonium. 
Damit man aber recht verstehe, worauf es bei diesem Abstellregister eigentlich ankommt, ist es nötig, daß wir uns zuvor im einzelnen mit der Klaviatur vertraut machen.  However, in order to be able to understand the purpose of this switching stop perfectly it is necessary to familiarise oneself with the details of the keyboard first. 

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